Nelson Lakes Nationalpark
Text von Andre Kreitlein
Bisher hatte ich schon einiges an Widrigkeiten in meinen diversen Urlauben
überstanden. Sei es das Laufen in ein Manövergebiet, in welchem gerade ein
Manöver stattfindet, mit einem Ruderboot fast aufs offene Meer getrieben zu
werden oder abzustürzen. Auf dieser Wanderung jedoch setzte ich allem die
Krone auf, denn um ein Haar hätte sie ein jähes Ende gefunden.
Ich war mit dem Vorsatz nach Nelson, einem Küstenort im Norden der
Südinsel Neuseelands, gefahren, um eine Wanderung auf dem 'Abel Tasman
Küstenwanderweg' durchzuführen.
Als jedoch abends in meiner Herberge ein Diavortrag über diesen
Wanderweg gezeigt wurde und der Witz die Runde machte, daß es auf ihm
eine weiße Linie gäbe, damit die Wanderer, die in die eine Richtung liefen
nicht mit denen, die aus der anderen kämen, zusammenstoßen, änderte ich
blitzschnell meine Ansicht und entschied mich, mir den 'Nelson Lakes
Nationalpark' näher anzusehen.
Über den Transport von Nelson zum Park brauchte ich mir nicht sonderlich
viel Gedanken machen, denn diese Arbeit nahm John, der Besitzer der
Herberge, einem ab.
Sehr zufrieden über meine Entscheidung legte ich mich hin und schlief in
dieser Nacht wie ein Stein, denn die Anreise nach Nelson war sehr
anstrengend gewesen, da ich ohne Pause vom Süden der Insel bis hierher
gefahren war.
Am Morgen wurde die Ausrüstung für die Tour zusammengestellt und alle
noch notwendigen Einkäufe getätigt.
Als alles erledigt war, wurde nur noch auf den Bus gewartet, der mich und
noch 8 weitere Wanderer zum Park bringen sollte.
Um die Mittagszeit war es schließlich soweit und nachdem alle Sachen in
dem kleinen Bus verstaut waren, begann die etwa 1� - 2 Std. dauernde
Fahrt. Das wir für etwa 110 km 'so lange' brauchten, hatte seinen
besonderen Grund, denn die Busfahrerin betätigte sich gleichzeitig als Post
und Zeitungsbote.
Nach kurzer Fahrt hielt der Bus vor einem kleinen Geschäft. Hier sollte sich
jeder noch einmal seinen größten Wunsch erfüllen können, bevor es
endgültig losgehen sollte.
Bei herrlichstem Wetter erreichten wir schließlich 'St. Arnaud', den
Ausgangsort für diese Tour.
Nach einem kurzen Besuch im 'Visitor Office', in dem man sich für eine Tour
anmeldet und hinterher auch abmeldet, stürmte ich voller Tatendrang los.
Außerdem drängte etwas die Zeit, denn ich sollte heute noch bis zur
'Bushline Hut', das bedeutete einen etwa 3 Std. dauernden Marsch, auf dem
ich 1000 Höhenmeter aufsteigen mußte und das, wo es etwa gegen 18.20
Uhr völlig dunkel war.
Der erste Teil des Weges war einfach, denn ich konnte anfangs die
Spazierwege um den Lake Rotoiti und später eine Straße verwenden.
Auf diese Weise überwand ich die ersten 300 Höhenmeter rasch.
Je höher ich kam, desto schöner wurde die Aussicht hinunter ins Tal.
Als die Straße zu Ende war, ging es auf einem hervorragend ausgebauten
Wanderweg weiter. Gegen 18 Uhr, zusammen mit dem Sonnenuntergang,
erreichte ich den höchsten Punkt meiner Tagesetappe. Da ich mir nicht ganz
schlüssig war, wie weit es noch bis zur Hütte war, verschärfte ich mein
Tempo, um ja nicht in die Dunkelheit zu kommen.
Kurz vor Ende der Dämmerung erreichte ich die Hütte. Ich freute mich nun
auf ein schönes warmes Feuer im Ofen, doch da es nur Kohle gab wurde
nichts daraus, denn in dieser Hütte gab es kein Holz mit dessen Hilfe man die
Kohle hätte zum Brennen bewegen können. Auch in dem kleinen
angrenzenden Wald gab es außer Bäumen kein Stück Holz. Einen solch'
aufgeräumten Wald hab' ich noch nie gesehen.
Etwa 1� Std. nach mir traf noch eine dänische Wandergruppe ein. Wir
spielten gemeinsam etwas Karten, dadurch wurde es an diesem Tag viel zu
spät; ich verschwand etwa gegen 23 Uhr in meinem Schlafsack.
Meine Wanderung hatte mit einem Traumwetter begonnen, doch in der Nacht
war es extrem schlecht geworden.
Als ich am Morgen loslief, führte mich mein Weg durch solch einen dichten
Nebel, daß ich nur 5 - 10 m weit sehen konnte.
Darüber hinaus nieselte es und ein starker Wind riß mich hin und her.
Nach meiner Karte führte der Weg über einen Bergrücken und nur dieses
Wissen half mir, ihn zu finden. Die Markierungen waren hier nämlich etwa
200m weit auseinander.
Bei gutem Wetter stellt das kein Problem dar, doch bei nur 10m Sicht wird
das Laufen zum Rätselraten.
Als der Weg schwieriger wurde stieg der Nebel glücklicherweise etwas auf
und ich sah, wo ich laufen mußte. Ich hatte nämlich das Vergnügen durch
unwegsames Geröll laufen und klettern zu müssen.
Der Wind quälte mich ohnehin schon genug. Nicht selten ergriff mich eine
Böe und warf mich zu Boden.
Nach rund 3 Std. Fußweg erreichte ich die Angelus Hütte. Sie lag auf der
Hälfte des heute zu bewältigenden Weges. Da sich der Nebel jedoch wieder
zu senken begann und der Wind noch stärker wurde, entschied ich mich,
heute die Wanderung zu beenden, um später zu überlegen, was ich machen
würde.
Etwa 4 Std. nach mir traf die dänische Gruppe und 2 Neuseeländer hier ein.
Die Dänen hatten die Schwierigkeiten des Weges nur bewältigen können, da
sie die Neuseeländer trafen, die sie durch den Nebel lotsten.
Den gesamten Nachmittag knobelte ich an einer neuen Variante meiner
Wanderroute, doch durch mein sehr eng bemessenes Zeitlimit kam ich zu
keinem brauchbaren Ergebnis. Nach einem harten Kampf entschloß ich
mich, meine Wanderung abzubrechen und von dieser Hütte ins Tal
abzusteigen, um zurück nach St. Arnaud zu laufen.
Glücklich war ich über diesen Entschluß nicht, denn bisher hatte ich wegen
des Wetters sämtliche Wanderungen in Neuseeland abbrechen müssen.
Nachdem ich mich hingelegt hatte spürte ich, wie die Hütte durch den Wind
förmlich hin- und hergerissen wurde. Das versöhnte mich etwas über meine
Entscheidung.
Als ich am Morgen erwachte und aus dem Fenster gegen eine Nebelwand
blickte, fühlte ich mich in meiner Entscheidung bestärkt. Auch der Wind blies
in unverminderter Stärke.
Gegen �10 geschah das große Wunder, der Wind flaute völlig ab und der
Nebel stieg auf.
Nun sah ich das erste Mal, in welch' herrlicher Umgebung die Hütte lag.
Dieses Wunder und die sagenhaft schöne Landschaft änderten schlagartig
meine Meinung, was den weiteren Verlauf meiner Tour betraf. Ich wollte sie
nun doch - wie geplant - fortsetzen.
Meine Mitbewohner staunten nicht schlecht, als sie mich packen und
aufbrechen sahen.
Es war �11 als ich loslief. Anfangs führte mich mein Weg durch Geröll.
Jedoch durch eine spärliche Markierung hatte ich ein wenig Probleme stets
den Weg zu finden.
Schließlich führte der Weg ausschließlich über einen schmalen Bergrücken
und die Markierung wurde zusehends besser, so daß ich immer schneller
vorwärts kam.
Nach etwa 2 Std. erreichte ich den höchsten Punkt dieses Tages. Nun folgte
ein etwa 1000 Höhenmeter langer Abstieg. Die ersten 200 Höhenmeter
waren einfach und es machte großen Spaß sie zu laufen. Danach ging der
Weg vom kargen Bergrücken in eine Wiese über. Doch der Weg war so
glitschig, daß ich ständig ausrutschte. Schließlich verschwand der Weg im
Busch und ich dachte das Laufen würde jetzt einfacher werden. Doch da ich
täuschte ich mich gehörig.
Der Weg ging nun nämlich fast ausschließlich kerzengerade den Berg
hinunter, und daß über etwa 700 Höhenmeter. Hier rutschte ich nun so oft
aus, daß ich langsam böse wurde. Leider half mir dies nicht, das ewige
Hinfallen zu beenden.
Als ich die Sabine Hütte erreichte, merkte ich, was meine Beine geleistet
hatten, denn sie schmerzten etwas.
Mittlerweile war es 14 Uhr und ich nahm mit Mißvergnügen zu Kenntnis, daß
mir die Zeit davon zu laufen drohte. Mir stand nämlich noch ein etwa 4 Std.
langer Marsch bevor, und daß wo es um 17.30 Uhr begann dunkel zu werden.
Dennoch gönnte ich mir eine � Stunde Pause bevor ich weiterlief.
Trotz der Ausgezehrtheit meiner Beine legte ich ein hohes Tempo vor.
Erleichtert wurde das ganze dadurch, daß der Weg durch ein Tal führte.
Gelegentlich waren diverse Bäche zu durchqueren oder über glitschige
Baumstämme zu balancieren, jedoch ließ ich mich dadurch nicht lange
aufhalten.
All' meine Bemühungen, rechtzeitig bis zur Hütte zu kommen, halfen nichts.
Schließlich brach die Dämmerung herein und es begann zusehends dunkler
zu werden.
Im letzten Tageslicht entdeckte ich ein Schild, welches mir verhieß, daß es
noch 10 Min. bis zur Brücke seien. Mit Hilfe dieser Brücke sollte ich den Fluß,
der durch dieses Tal floß, überwinden können, um die Hütten zu erreichen.
Zur näheren Information muß gesagt werden, daß sich die Brücke zwischen
der Sabine Forks Hütte und der West Sabine Hütte befand, und daß diese
beiden Hütten etwa 400m auseinander lagen.
Ich hatte also dieses Schild passiert und arbeitete mich weiter durch den
Busch.
Nun wurde es notwendig, auf die Hilfe meiner Taschenlampe
zurückzugreifen, denn der Weg war mittlerweile nicht mehr zu erkennen.
Meine Taschenlampe leuchtete recht gut, dennoch hatte ich erhebliche
Schwierigkeiten auf dem Weg zu bleiben. Nicht selten lief ich falsch und
steckte plötzlich im Unterholz fest.
Da ich befürchtete, ich würde die Brücke nicht finden, lief ich gelegentlich
zum Fluß, um zu sehen, ob sie irgendwo sei.
Die Brücke fand ich nicht, doch auf der anderen Uferseite entdeckte ich die
Lichter einer Hütte. Ich nahm nun an, es sei die Sabine Forks Hütte und lief
weiter.
Ich war etwa weitere 10 Min. gelaufen, doch von der Brücke war keine Spur.
Nun kam ich zu dem Schluß, daß die Lichter nicht von der Sabine Forks
Hütte gestammt hatten, sondern von der West Sabine Hütte. Daher drehte
ich um und lief zurück. Während ich mich nun durch die Dunkelheit arbeitete
und mir durch meine völlig verschwitzte Kleidung zusehends kälter wurde,
verfiel ich auf die Idee, den Fluß zu durchqueren, um zur Hütte zu gelangen.
Nach ein paar Minuten erreichte ich die Stelle, von welcher ich die Lichter
auf der anderen Uferseite sah.
Sogleich ging ich zum Ufer. Als ich nun dort stand, kamen mir gewisse
Zweifel, ob es solch' eine tolle Idee sei, eine Durchquerung durchzuführen,
denn der Fluß war an dieser Stelle nicht sehr breit und somit herrschte eine
starke Strömung. Auch ein Blick stromauf und -abwärts ließ mich keine breitere Stelle
entdecken.
Schließlich bereitete ich alles für die Durchquerung vor. Schon nach dem
ersten Schritt in den Fluß verschwand ich bis zur Hälfte meiner
Oberschenkel im Wasser. Obwohl ich mich noch nahe beim Ufer befand,
spürte ich die Macht der Strömung und ahnte was noch auf mich zukommen
sollte.
Mit winzigen Schrittchen arbeitete ich mich weiter. Einen einigermaßen
guten Halt hatte ich ohnehin nur, da mein rechtes Bein mit seiner Innenseite
an einen großen Stein gepreßt wurde.
Wie aus heiterem Himmel riß mir die Strömung die Beine weg. Mein
Rucksack saugte sich voll Wasser und zog mich sofort auf den Grund des
Flusses. Die ganze Zeit zerrte mich die Strömung weiter und wirbelte mich
hin und her.
Während ich durch den eiskalten Bergfluß hilflos davongerissen wurde und
ich um Luft kämpfte, dachte ich schon, es wäre mit mir aus.
So nah, wie in dieser Situation fühlte ich mich dem Tode noch nie.
Krampfhaft versuchte ich mich zu konzentrieren und schließlich wußte ich
was zu tun sei. Ich mußte den Rucksack loswerden, ihn davonschwimmen lassen und
sehen, wie ich mich selber rette.
Nach einigen Mühen hatte ich mich vom Rucksack befreit und war heilfroh,
als ich wieder etwas Luft bekam.
Obwohl die Situation noch kritisch war, konnte ich mich nicht überwinden,
meinen Rucksack loszulassen. Es erschien mir auch nicht nötig, denn nun
trieb er schön auf der Wasseroberfläche.
Ganz langsam und vorsichtig versuchte ich das jenseitige Ufer zu erreichen.
Meine Erleichterung war unbeschreiblich, als ich unter mir den Flussgrund
fühlte und schließlich im seichten Uferwasser saß.
Zuerst blieb ich etwas im Wasser sitzen und erholte mich von dem Erlebten.
Dann versuchte ich aufzustehen und mich in Richtung der Hütte zu
bewegen.
Das Aufstehen klappte noch, nur der Rucksack hatte solch ein Gewicht, daß
ich ihn nur hinter mir herziehen konnte.
Völlig durchnäßt, zitternd und etwas verwirrt erreichte ich die Hütte. Sofort
begann ich mich meiner Kleidung zu entledigen. Danach begann die Suche
nach trockenen Sachen in meinem Rucksack.
Ich mußte bei dieser Suche feststellen, daß meine gesamte Ausrüstung
durchnäßt war. Um so erleichterter war ich, als ich eine kurze Turnhose und
ein T-Shirt fand, die nur feucht waren.
Meine Mitbewohner hatten schon Feuer gemacht, doch da es nur nasses
Holz gab, wärmte es die Hütte kaum.
Nur einer der vier Mitbewohner nahm etwas Anteil an meinem Mißgeschick.
Er bot mir einen Tee und seinen Kocher an und räumte fast alle Sachen vom
Ofen weg, so daß ich versuchen konnte, meine zu trockenen.
Den Tee nahm ich dankend an, doch den Kocher lehnte ich ab. Ich wollte
versuchen, meinen eigenen in Gang zu setzten.
Nach etwa einer halben Stunde vergeblichen mühens begann er zu arbeiten
und ich konnte mir eine Kleinigkeit kochen.
Nach und nach wurde mir immer kälter und ich zog es vor, mich hinzulegen.
Glücklicherweise war der Schlafsack von der Innenseite nur feucht und so
war es zwar unangenehm, aber nicht unmöglich, in ihm zu schlafen.
Es dauerte an diesem Abend etliche Zeit bis ich einschlief, denn mir
schossen die Gedanken nur so durch den Kopf.
Als ich am Morgen erwachte, fror ich etwas, obwohl mein Schlafsack
mittlerweile von der Innenseite trocken war.
Sogleich versuchte ich Feuer zu machen, doch all' meine Bemühungen
waren vergebens, da das Holz durch und durch naß war.
Eigentlich wollte ich hier bleiben, um meine Sachen zu trocknen, doch da es
keinerlei Aussicht gab, daß ich ein einigermaßen brauchbares Feuer
erhalten würde, entschloß ich mich, den Rückweg anzutreten.
Den Rückmarsch trat ich zusammen mit einem dänischen Jungen an.
Ich mußte auf dem Rückweg feststellen, daß die Brücke nicht besonders
auffällig war. Außerdem hatte ich sie nur um ein paar Meter verfehlt.
Bei der Brücke gabelte sich nämlich der Weg und das Hinweisschild,
welches einen auf diese aufmerksam machte, war durch einen Hügel
verdeckt, so daß ich den Weg benutzte, der mich nicht an der Brücke
vorbeiführte.
Sich darüber zu ärgern, wäre müßig gewesen und so liefen wir ohne
anzuhalten weiter.
Der Rückweg verlief äußerst unspektakulär. Gelegentlich blieben wir nur
stehen und bewunderten die Berge. Da es in der Nacht geschneit hatte und
etwas die Sonne schien war es besonders schön.
Bei den Kletterpartien über die diversen Bachläufe und den
Bachdurchquerungen ermunterten wir uns gegenseitig oder halfen uns.
Am frühen Nachmittag erreichten wir die Sabine Hütte.
Vor uns war eine Gruppe von Engländern eingetroffen, die schon Feuer
gemacht hatten, und so fanden wir eine herrlich warme Hütte vor.
Sogleich wurden etliche Schnüre gespannt und die Kleidung aufgehangen.
Schon nach kurzer Zeit war alles trocken.
Der restliche Nachmittag verlief recht beschaulich. Es wurde Essen
gekocht, Tagebuch geschrieben oder gelegentlich Holz gehackt.
Etwa gegen 19 Uhr erreichte noch eine Gruppe unsere Hütte. Das war ein
wenig unangenehm, denn hier gab es nicht so viele Liegeplätze. Nun mußte
ganz schön zusammengerückt werden.
Während die anderen sich ausbreiteten, knobelten Peter (der Däne) und ich
über den möglichen Rückweg. Nach etlichem Hin und Her entschieden wir
uns für die längere aber erheblich einfachere Variante.
Die Nacht war sehr unruhig und ich war froh, als es Morgen war und ich
aufstehen konnte.
Peter und ich brachen an diesem Tag, der im übrigen sehr schön zu werden
schien, als erste auf.
Wir ließen uns beim Gehen sehr viel Zeit, da wir unbedingt vermeiden wollten zu Schwitzen.
Wir mußten nämlich noch bis auf 1.100m laufen und dort befand sich die
Schneegrenze.
Der erste Teil des Weges war etwas steiler, doch zusehends flachte er ab und
es wurde ein sehr angenehmes Laufen.
Kleinere Probleme hatten wir nur, wenn der Weg gebohlt war, denn das Holz
war meist von einer dünnen Eisschicht überzogen. Es ließ sich auch nicht
vermeiden, gelegentlich im Schlamm zu versinken.
Viel schneller als erwartet erreichten wir den Howard Shelter. Aus diesem
Grunde entschlossen wir uns, heute bis St. Arnaud zu laufen und nicht in der
Speargrass Hütte zu übernachten, was unsere ursprüngliche Planung war.
Der Weg bis zur Speargrass Hütte wartete mit einigen unangenehmen
Stellen auf, doch wir waren so stark motiviert, daß wir den Schlamm, den
Schnee, das Eis und die Kälte ignorierten.
Etwa gegen 14 Uhr erreichten wir die Hütte. Hier gönnten wir uns nun ein
ausgiebiges Essen.
Auf dem Weg hierher waren wir von der Gruppe von Engländern überholt
worden, die mit uns in der Sabine Hütte übernachtet hatten. Sie wollten
ursprünglich ebenfalls in dieser Hütte übernachten. Jedoch waren sie
weiter gelaufen, hatten aber für uns eine Nachricht hinterlassen, in der sie
uns eine gute Nacht in der Hütte wünschten. Wir freuten uns auf ihre
Gesichter, wenn sie auch uns in St. Arnaud sehen würden.
Nachdem wir ebenfalls etwas in das Hüttenbuch eingetragen hatten
machten wir uns auf den Weiterweg. Der Weg führte ausschließlich durch
ein Tal und folgte dem dort fließenden Fluß.
Das Laufen war das reinste Vergnügen und ich würde ihn in die Kategorie
'Genußstrecke' einreihen.
Uns wurde nur Konzentration abverlangt, wenn wir an Stellen kamen, an
denen der Weg durch Erdrutsche verschüttet war oder überhaupt nicht
mehr existierte.
Guter Dinge erreichten wir nach 10 Std. Marsch unsere Unterkunft in St.
Arnaud.
Nun dachten wir, wir hätten keine Probleme mehr, doch leider zeigte sich der
Manager unserer Unterkunft als äußerst unkulant.
Er vermietete uns nämlich 2 Betten, wo er in Wirklichkeit nur ein Bett und ein
Matratzenlager zur Verfügung hatte.
All unsere Bemühungen, ihm zumindest einen Preisnachlaß abzuringen
waren vergebens. Er bot uns statt dessen an, die Herberge zu verlassen,
obwohl er genau wußte, daß es keine andere Unterkunftsmöglichkeit gab.
Uns blieb also nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen und
hier zu bleiben.
Ich erklärte mich bereit, die Matratze zu benutzen, doch aus Protest zog ich
es vor auf dem Boden zu schlafen.
Am nächsten Tag ging ich vor der Abfahrt des Busses noch zum Visitor
Office und meldete Peter und mich aus dem Park zurück.
Bevor ich den Bus für die Fahrt zurück nach Nelson besteigen konnte, mußte
ich noch eine kleine Unterhaltung mit dem Fahrer führen, denn ich hatte
meine Fahrkarte verloren. Ohne Probleme und ohne erneut zur Kasse
gebeten zu werden, durfte ich mitfahren. (Diese großzügige Verhaltensweise
war typisch Neuseeländisch und nicht die Kleinkariertheit des Managers).
Nach 1�stündiger Fahrt erreichten wir Nelson.
Trotz all der Widrigkeiten und meines Unfalles, ist mir diese Wanderung
nicht unangenehm in Erinnerung. Sie hatte mir nämlich all' meine
Unzulänglichkeiten aufgezeigt und wird mir helfen, zukünftig
vorsichtiger zu sein. So hoffe ich jedenfalls, denn gibt es einen Fettnapf,
ich trete rein und das besonders im Urlaub.